Pritzker Preis für Frei Otto

Eine große Anerkennung auch für seine Bauten der Bundesgartenschau 1957 und 1971 in Köln – und ein Ansporn, sein Erbe in Köln zu bewahren und auch dem Umfeld von Tanzbrunnen, Staatenhaus und Rheinparkcafé mehr Wertschätzung zukommen zu lassen.

Offener Brief an die Stadtgesellschaft, 14. Mai 2015

Am 15. Mai 2015 wird der deutsche Architekt Frei Otto in Miami postum mit dem Pritzker Preis für Architektur ausgezeichnet, der weltweit bedeutendsten Architekturauszeichnung, oftmals auch als „Oscar für Architektur“ bezeichnet. Frei Otto ist nach dem Kölner Architekten Gottfried Böhm erst der zweite Deutsche, der mit dem Pritzker Preis ausgezeichnet wird. Und Köln ist, gemeinsam mit seiner Partnerstadt Kyoto, nun eine von nur zwei Städten weltweit, die Werke von gleich drei Pritzker-Preisträgern beherbergt.

Frei Otto starb vor wenigen Wochen, am 9. März 2015, bereits in Kenntnis der hohen Auszeichnung. Der Architekt und Ingenieur hat sich insbesondere mit visionären, leichten Flächentragwerken einen internationalen Namen gemacht. Seine zusammen mit Günter Behnisch entworfene Zeltdachkonstruktion des Münchner Olympiageländes 1972 machte ebenso Furore wie der zur Expo `67 in Montreal gezeigte Deutsche Pavillon. Auch in Köln hat er mit dem Sternwellenzelt am Kölner Tanzbrunnen (Bundesgartenschau 1957) und den Großschirmen (Bundesgartenschau 1971) deutliche Spuren hinterlassen.

Das Haus der Architektur Köln hat Frei Otto mit einer Veranstaltung am 21. April 2015 geehrt. Prof. Dr. Wolfgang Pehnt, renommierter Architekturhistoriker aus Köln, referierte zum Thema „Frei Otto. Im Gespräch mit der Natur. Zum postumen Pritzker Preis für den großen Architekteningenieur“.

In seinem Vortrag wies Prof. Dr. Pehnt auf den hohen baukulturellen Stellenwert insbeondere des Sternwellenzeltes hin, nannte es sogar das für ihn schönste Nachkriegsbauwerk in Köln. Er unterstrich aber auch, dass das Umfeld des Tanzbrunnens – mit Staatenhaus, Rheinparkcafé und Rheinpark – dieser Bedeutung inzwischen nicht mehr gerecht wird, zu sehr der Verwahrlosung und dem Verfall ausgesetzt ist. Wer sich heute mit offenen Augen in dem Areal bewegt, wird dies schnell bestätigen können; schleichend hat sich der Zustand der Bausubstanz, der Grünflächen, des öffentlichen Raumes verschlechtert. Aktuell ist auch die Planung für das Rheinparkcafé alarmierend. Ungeachtet der erfreulichen Entscheidung der Stadt Köln, das lange Zeit ungenutzte Gebäude zu sanieren und einer öffentlichen Nutzung zuzuführen, geben insbesondere der drohende Teilabriss der zur markanten Silhouette gehörenden Rampenanlage und die unsensiblen Eingriffe in der oberen Ebene Anlass zur Sorge.

Wir appellieren an die Stadtgesellschaft im Allgemeinen und die unmittelbar Verantwortlichen im Besonderen, dem Gesamtensemble die notwendige Aufmerksamkeit, Wertschätzung und Unterstützung zukommen zu lassen. Gerne sind wir bereit, uns ebenfalls zu engagieren und in die Überlegungen mit einzubringen.

Im Nachgang unserer Veranstaltung haben sich spontan Unterstützer für die Idee gefunden, in der Stadtöffentlichkeit für eine höhere Aufmerksamkeit für dieses so besondere Areal zu werben. Die kurzen Stellungnahmen von Roland Dorn, Dr. Helmut Fußbroich, Prof. Dr. Hiltrud Kier, Dr. Ulrich Krings und Prof. Dr. Wolfgang Pehnt, Martin Struck und Walter von Lom legen wir diesem Offenen Brief bei.

Für das Haus der Architektur Köln:
Prof. Christl Drey (Vorstandsvorsitzende) / Christian Wendling (Geschäftsführer)

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Positionen

Roland Dorn

Architekt BDA / Lehrbeauftragter am Institut für Kunst- und Kunsttheorie, Humanwissenschaftliche Fakultät der Universität zu Köln

Licht, Luft, Leichtigkeit? Verbaute Avantgarde im Rheinpark!
Leider ist heute nur noch Fachleuten bewusst, dass das Areal des Kölner Rheinparks zu den zentralen Schauplätzen der Entwicklung der frühen Moderne des zwanzigsten Jahrhunderts gehört, auf dem international geachtete Vertreter der deutschen Architekturavantgarde einige ihrer frühen Bauwerke schufen. Stellvertretend für viele andere einige wenige Beispiele:
Im Rahmen der „Deutschen Werkbundausstellung 1914“ errichtete hier der 31-jährige Walter Gropius seine Versuchsfabrik zur Reform industrieller Arbeitsbedingungen, der 34-jährige Bruno Taut schuf seinen expressionistischen Glaspavillon. Beide manifestierten mit Licht und Leichtigkeit die Abkehr vom erdenschweren Historismus des zu Ende gehenden wilhelminischen Kaiserreiches. Peter Behrens, heute international als Vater des Corporate Design gewürdigt, baute die Festhalle und Henry van de Velde schuf mit seinem Werkbundtheater einen weltberühmten Meilenstein in der Geschichte des Theaterbaus. Spätere Bauten von Gropius wie das Bauhaus in Dessau (1926) oder Tauts Berliner Wohnsiedlung „Onkel Toms Hütte“ (1926-32) sind heute auf der Weltkulturerbeliste der UNESCO zu finden.
1928 wurde das Gelände zum Austragungsort der „Internationalen Presseausstellung“ (Pressa), auf der Erich Mendelsohn für den Verlag Rudolf Mosse und Wilhelm Riphahn für den Verlag DuMont-Schauberg die Ausstellungspavillons des Berliner Tageblattes bzw. der Kölnischen Zeitung bauten. Beides international geachtete Höhepunkte der „weißen Moderne“. Adolf Abel errichtete Messebauten, Messeturm und Staatenhaus.
1957, im Zuge des Kölner Wiederaufbaus nach dem 2. Weltkrieg, sollte die „Bundesgartenschau“ mit landschaftsplanerischen und architektonischen Konzepten der Abkehr von totalitären Gestaltungsmustern der 1930-er und 1940-er Jahre Ausdruck verleihen und zugleich undogmatische Bescheidenheit beim Aufbruch in eine demokratisch legitimierte Gesellschaft demonstrieren. Fließende Räume, organische Formen, Licht, Luft und Leichtigkeit in Außenräumen und Gebäuden sollten einen der größten innerstädtischen Naherholungsräume der Bundesrepublik charakterisieren. In seinem Zentrum war die Überdachung einer Tanzbrunnenanlage von ca. 1.000 Quadratmetern geplant, für die der 32-jährige Architekt und Ingenieur Frei Otto mit seinen textilen Zeltüberspannungen, der sog. „Sternwelle“, den Auftrag erhielt. Ähnlich wie vier Jahrzehnte zuvor Walter Gropius und Bruno Taut bot sich ihm damit am Beginn seiner Laufbahn die Gelegenheit zu ersten baulichen Verwirklichungen bahnbrechender Ideen und Utopien, die ihm später mit unzähligen Projekten, Bauten und Schriften Weltruhm einbrachten.
Während Frei Ottos einzigartiges Werk zum wiederholten Mal mit internationalen Ehrungen gewürdigt wird, präsentiert sich das stadträumliche Umfeld um seine Konstruktionen im Rheinpark jedoch mit erstaunlicher Gleichgültigkeit und Unordnung. Verbaut mit Würstchenbuden aus Wellblech, umzingelt von Toilettencontainern und billiger Eventarchitektur, vollgestellt mit Hinterlassenschaften der Merchandising- und Pappbecher-„Kultur“, verkommt der gesamte Hauptzugangsbereich von Süden mehr und mehr zu seelenloser Tristesse. Ein Verhau von Anlieferungshöfen beherrscht das Bild, von Erholung keine Spur. Der Rhein, von den Konstruktionen der „Sternwelle“ her einst sichtbar in das Bild der Parklandschaft einbezogen, wird von Beach Clubs und Bauzäunen hermetisch abgeschnitten und bleibt wenigen zahlenden Gästen vorbehalten. Die einst fließenden Weg- und Beziehungen zum nördlich anschließenden Hauptbereich des Parkes sind nachhaltig gestört.
Weder sein Denkmalstatus als Ganzes noch seine historische Bedeutung für die Utopien und Ideen der frühen Moderne und der Nachkriegszeit erfahren so eine angemessene Würdigung. Darauf jedoch haben die Erholung suchenden Nutzer des Areals ebenso Anspruch wie auf die Open-Air-Konzerte, für die Frei Ottos Dächer einst ersonnen wurden.

Dr. Helmut Fußbroich

Kunsthistoriker, Köln

Frei Otto, Ingenieur-Architekt, Forscher und Künstler, fand 1950 eine von Josef Op Gen Oorth entworfene kreisrunde Tanzfläche vor, die schlanke Betonbalken über dem großen Rund der Brunnenschale schweben lassen. Er antwortete darauf mit einer darüber gespannten schwingenden Zeltarchitektur.
Eine Folge von kleinen und großen dreieckigen Zeltplanen umkreist das offene Zentrum der Tanzfläche. Werden die äußeren Spitzen der großen Dreiecke von schräg nach außen greifenden, filigranen Stahlgittermasten hochgerichtet, so ziehen Seile die äußeren Spitzen der kleineren Zwickeldreiecke herab. Der regelmäßige Wechsel von Größe und Richtung der Planen löst eine Welle aus, die ihr duftiges Spiel über der Tanzfläche und der großen Brunnenschale entfaltet.
In dieser poetischen „Architektur“ zeigte sich früh Frei Ottos hohes Begabungspotential gepaart mit dem Willen, Grenzen seines Berufes zu erweitern. Doch, wie kann sich Poesie in einem solchen Umfeld entfalten?

Prof. Dr. Hiltrud Kier

Kunsthistorisches Institut der Universität Bonn / Stadtkonservatorin a.D. der Stadt Köln

Architekten lieben es mitunter, die von ihnen gebauten Objekte als das gute Neue neben dem guten Alten zu apostrophieren. Nicht immer können die Betroffenen aus Kunstgeschichte und Denkmalpflege dies bestätigen und nachvollziehen. Bei dem Ensemble im Kölner Rheinpark, wo das (von der Denkmalpflege mühsam erhaltene) Staatenhaus von Adolf Abel ein besonderes architektonisches Schmuckstück der Messebauten aus den 1920er Jahren ist, lässt sich dies aber ohne Einschränkung für seine Verbindung mit dem Tanzbrunnen (1950 von Josef Op Gen Oorth) und dem Sternenwellenzelt (1957 Frei Otto) sagen. Eigentlich sollte dazu auch noch das Rheinpark-Café gezählt werden können, was aber zur Zeit angesichts der städtischen „Sanierungs“-Pläne (sprich: angedachte Versaubeutelung) wohl nur eine Vision bleiben kann.

Dr. Ulrich Krings

stv. Vorsitzender Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz RVDL, Regionalverband Köln / Stadtkonservator a.D. der Stadt Köln

Das elegante „Sternenwellenzelt“ Frei Ottos ist gleichsam der Punkt auf dem „i“ des Tanzbrunnens, der wiederum als kongeniale Antwort Josef Op Gen Oorths auf Adolf Abels Staatenhaus-Halbrund anzusprechen ist. Hier swingt Kölns „Schäl Sick“ auf hohem gestalterischen Niveau. Und was macht die Gegenwart aus dieser kostbaren Situation? Bretterbuden-„Zauber“ von unterster Qualität: Lifestyle gegen Bares… Da kann man nur wünschen und fordern: Weg damit, Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands, Wieder-Öffnung des Tanzbrunnen-Zirkels zum Rhein, zu den Rheinterrassen und zur Altstadt-Silhouette. Der sensible Teil der Kölner und deren zahlreiche Gästeschar werden es der Betreiber-Gesellschaft danken.

Prof. Dr. Dr.-Ing. h.c. Wolfgang Pehnt

Architekturhistoriker und -kritiker, Köln

Als Frei Otto seine Zeltbauten für die Bundesgartenschau 1957 in Köln entwarf (Eingangsbogen, Sternwellenzelt über dem Tanzbrunnen, zwei weitere, heute nicht mehr vorhandene Membrankonstruktionen), war er noch nicht der weltweit berühmte Architekt und Ingenieur, zu dem er seit dem Deutschen Pavillon auf der Weltausstellung in Montreal 1967 und der Zeltlandschaft der Münchner Olympiade von 1972 geworden ist.
Umso wichtiger ist es, seine frühen Kölner Schöpfungen (zu denen auch die Großschirme von der Bundesgartenschau 1971 gehören) zu erhalten und ihnen zu einem angemessenen Umfeld zu verhelfen. Heute sind sie von Anbauten, Containern und Verkaufsbuden umgeben und um einen großen Teil ihrer Wirkung gebracht. Dabei bedeuteten und bedeuten diese grazilen Gebilde den Beginn eines anderen, leichten, wandelbaren Bauens. Mit einem Minimum an Materialeinsatz ein Maximum an Leistung zu erzielen, war ihr Prinzip.
Der Stadt Köln stände es gut an, sich dieses Erbes zu besinnen. Mit einer Pflege von Frei Ottos zugbeanspruchten Kreationen, vielleicht sogar einer Wiederherstellung der beiden verlorenen Segel im Rheinpark und vor allem einer Neuordnung ihrer Umgebung würde das Deutzer Ufer entscheidend aufgewertet werden.

Martin Struck

Erzdiözesanbaumeister, Erzbistum Köln

Mit der Verleihung der weltweit renommiertesten Auszeichnung für Architektur an Frei Otto bewahrt Köln neben Tokyo als einzige Stadt auf dem Globus die Werke von gleich drei Pritzker-Preisträgern „innerhalb ihrer Mauern“: 1986 erhielt der Kirchenbaumeister Gottfried Böhm die begehrte Auszeichnung, und im Jahre 2009 wurde der Schweizer Architekt Peter Zumthor, der das Kolumba-Museum plante, prämiert.
Der 38. überhaupt, und der erst 2. deutsche Träger seit Stiftung des Preises im Jahre 1979, Frei Otto, wird als Ingenieur-Architekt zu Recht für die von ihm verfolgten Ideale nie zuvor erdachter, Ressourcen schonender Tragkonstruktionen ausgezeichnet. Mit seinen frühen Zeltkonstruktionen im Rheinpark hat er ingeniöse Wege der Tragwerksgestaltung und Formgebung gewiesen, deren Zukunftspotential von uns heute noch kaum überblickt werden kann. Um wie viel mehr sollte sich die Stadt dieses unverdienten Geschenkes für würdig erweisen und um eine entsprechende Umgebungsgestaltung bemühen.

Walter von Lom

Architekt BDA, stv. Vorsitzender Architektur Forum Rheinland e.V., Köln

Völlig unverständlich, dass sich die Stadt Köln und ihre gesamte Stadtgesellschaft so wenig dieses architektonischen Kleinodes von Frei Otto in einer stadtgeschichtlich so wichtigen besonderen Situation bewusst ist.
Hier fand die für die Bauhistorie so wichtige Werkbundausstellung von 1914 statt, auf der der Rheinpark und die Köln Messe aufbauen,
hier steht der wunderbare runde Rahmenbau von Abel, – der in den 70er Jahren fast abgebrochen worden wäre – der dem leichten Zeltdach fassenden Hintergrund gibt,
hier stehen in einmaliger Lage die Bauten der Bundesgartenschau, die – fast verkommen – gerade wiederentdeckt werden.
Das Bewusstsein um das Zeltdach des Tanzbrunnens von Frei Otto als eine der innovativsten Nachkriegskonstruktionen, – Vorläufer der Olympiabauten in München und des deutschen Pavillons der Weltausstellung in Montreal – scheint dringen aufarbeitungswürdig.
Hoffentlich hilft für dieses Bewusstwerden die postume Verleihung des Pritzker Preises an seinen genialen Entwerfer und Konstrukteur.