Stadtentwicklung für die Zukunft: Immobilien für viele!

Der Konvent »Immobilien für viele – Gemeinwohl gemeinsam gestalten« ist am 3. und 4. November 2016 auf Einladung der Montag Stiftung Urbane Räume zustande gekommen. Der Konvent macht sich für gemeinwohlorientierte Immobilien stark und stellt Forderungen.

Das Haus der Architektur Köln lädt im Kontext dieses Themas am 17.01.2017 zur einer öffentliche Veranstaltung „Gemeinwohl gemeinsam bauen – Immovielien“ ein.

Im folgenden die Pressemitteilung der Montag Stiftung Urbane Räume:

Leipzig, 4.11.16: Zum ersten Mal versammeln sich über 150 Akteure aus Zivilgesellschaft, Immobilienwirtschaft und Stadtentwicklung, um gemeinsam neue Lösungen für eine gemeinwohlorientierte Immobilienentwicklung zu finden und ein breites Bündnis einzugehen. Auf dem Konvent „Immobilien für viele – Gemeinwohl gemeinsam gestalten“ fordern Aktivisten aus der Stadt von unten Szene genauso wie Vorstände großer Verbände Verbesserungen bei der Vergabe von Boden, der Finanzierung durch die Banken, der Förderung durch die öffentliche Hand, der unternehmensrechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen sowie das Miteinander von öffentlichen Institutionen und gemeinnützigen Immobilien. Insgesamt 15 Partner des Konvents haben die Forderungen zusammen erarbeitet und verabschiedet.

„Gemeinwohlorientierte Immobilien müssen es in unserer Gesellschaft leichter haben. Obwohl sie bereits an vielen Orten wertvolle Beiträge für ein lebendiges und sozial gerechtes Miteinander leisten, werden ihnen zu oft Steine in den Weg gelegt. Es ist höchste Zeit, diese aus dem Weg zu räumen, um die positiven Beiträge der Projekte fruchtbar zu machen“, so Frauke Burgdorff und Oliver Brügge, Vorstände der Montag Stiftung Urbane Räume.

Aus diesem Grund diskutiert der Konvent die fünf zentralen Forderungen „Mehr Boden! Gutes Geld! Andere Förderung! Passenderes Recht! und Mehr Augenhöhe! für Immovielien – Immobilien für viele.“ Damit thematisieren die Akteure zentrale Fragen und Probleme der Stadtentwicklung im 21. Jahrhundert: Wie können trotz spekulativer Boden- und Immobilienmärkte nachhaltige Konzepte rund um das Wohnen und Zusammenleben in der Nachbarschaft verwirklicht werden? Was hilft Immovielienprojekten wie Bürgerbädern und Kulturzentren auf die Beine?

Anwesende baupolitischen Sprecher und Mitarbeiter der Fraktionen im Bundestag mahnen insbesondere die Praxis der Grundstücksvergabe nach Höchstgebot statt nach Konzept an.

Joachim Boll von startklar.projekt.kommunikation sind grundlegende und allumfassende Verbesserungen wichtig: „Es gibt bereits zahlreiche gute Beispiele die beweisen, dass Immovielien erfolgreich und verantwortungsvoll für das Gemeinwohl umgesetzt werden. Nun kommt es darauf an, die Rahmenbedingungen zu verbessern, um mehr von diesen Projekten zu realisieren. Die Konvent-Forderungen zeigen, wie es gelingen kann!“

Rolf Novy-Huy von der Stiftung trias ergänzt: „Bei der Planung von Immobilien für das Gemeinwohl sehen sich zivile Akteure einem Ablaufdschungel voller Regeln, Anträgen, Zuständigkeiten und bei Nichtbeachtung Bußgeldern und sogar Strafen gegenüber. Das muss viel einfacher werden!“

Um die Bedingungen für gemeinwohlorientierte Immobilien zu verbessern und damit das Miteinander in der Stadtentwicklung zu stärken, ist es notwendig, Rahmenbedingungen auf mehreren Ebenen zu verändern. Sie müssen auf bundes- wie auch auf landespolitischer Ebene und in der kommunalen Praxis geschaffen werden. Die dafür notwenigen Veränderungen gehen über das Städtebaurecht hinaus. Es geht um ein ganzheitliches Konzept, um gemeinwohlorientierten Projekte zu stärken.

Die fünf Forderungen kurzgefasst:

1. Mehr Boden!
… für eine gemeinwohlorientierte Immobilienentwicklung und Immovielien

Die mangelnde Verfügbarkeit von Boden für gemeinwohlorientierte Zwecke ist ein strukturelles Problem. Hinzu kommt, dass bei Vergaben durch die öffentliche Hand (Bund, Länder, Kommunen) der Preis, die überformularisierte Vergabepraxis, die teilweise kleinteilig eingeforderten Konzepte und die Vergabegeschwindigkeit den Zugang zu Boden für Immovielien erschweren oder verhindern. Grundsätzlich sollte bei dem wenigen öffentlich zur Verfügung stehenden Boden das Konzept höher gewichtet werden als der Preis, und Gemeinwohlorientierung sollte den Vorzug bekommen. Dafür bräuchte es klare Definitionen, was das Gemeinwohl im Allgemeinen (Bund/Länder) und in diesem Zusammenhang (Kommune) konkret fördert.

2. Gutes Geld!
…um die Finanzierung von Immovielien zu verbessern

Immovielien werden von den meisten Geschäftsbanken mit spitzen Fingern oder gar nicht gefördert. Sie erfüllen selten die eingeübten oder vorgeschriebenen Standards und bringen häufig ihre Eigenanteile im Kollektiv zusammen. Das angepasste Vermögensanlagegesetz erschwert zusätzlich die gemeinschaftliche Finanzierung. Nur Alternativbanken haben aktuell das nötige Know-how, um Immovielien spezialisiert zu beraten.

Die Länder sollten mit ihren Landesförderbanken über das Thema Wohnen hinaus Bürgschaftsschirme für gemeinwohlorientierte Vorhaben einrichten und eine Schrittweisefinanzierung und/oder Risikoabsicherung der Initiativen ermöglichen. Auch der vereinfachte Zugang zu Krediten von Geschäftsbanken und die Anerkennung von Eigenleistung als Eigenkapital stellen wichtige Bausteine dar.

3. Andere Förderung!
… um Investitionen in Immovielien zu erleichtern

Immovielien fallen wegen ihrer vieldimensionalen Nutzungsstrukturen und vielfältigen Partner häufig durch vorhandene Förderraster oder müssen mehrere Förderschienen mit verschiedenen Logiken bedienen. Nahezu alle Förderzugänge fordern eine abgeschlossene Planung des betreffenden Objektes, was einer schrittweisen und damit robusten Entwicklungsstrategie im Weg steht. Die Städtebauförderung ist in der Regel für private Initiativen nicht zugänglich und gerade die Wohnraumförderung, die häufig von Immovielien in Anspruch genommen werden könnte, verkompliziert und verteuert gerade das Bauen im Bestand.

Die vorhandenen Förderprogramme müssen also auf vielen Ebenen angepasst werden. Insbesondere sollten Vorarbeiten zur Entwicklung von Immovielien gefördert werden.

4. Passendes Recht!
… und passender steuerlicher Rahmen für Immovielien

Es gibt keine Gesellschaftsform, die das gemeinschaftliche Wirtschaften für das Gemeinwohl befördert. Gemeinwohlorientierte Immobilieninvestorinnen und -investoren nutzen häufig organisatorische Formen, die nicht zu ihnen passen, und sie müssen über Umwege (Denkmalschutz, Völkerverständigung…) argumentieren, um die Gemeinnützigkeit zu erlangen.

Es ist unter anderen an der Zeit, die Abgabenordnung auf ihre Aktualität hin zu überprüfen und ggf. neue Kriterien für stadtteil- und nachbarschaftsbezogene Vorhaben zu entwickeln.

5. Mehr Augenhöhe!
… in der Zusammenarbeit von öffentlicher Hand und Immovielien

Viele kommunale Akteure trauen „standardisierten“ Finanzinvestoren oder Bauträgern mehr Durchsetzungsstärke und mehr Geschwindigkeit zu als lokalen und kooperativen Initiativen.

Viele Immovielienmacher haben ein prinzipielles Misstrauen gegenüber linearen Verwaltungsstrukturen und politischen Prozessen entwickelt, das nicht immer nur auf eigenen Erfahrungen gründet.

Wir müssen das Wissen, dass es in der Kooperation zwischen Immovielien und öffentlichen Händen gibt in die Ausbildung der kommenden Stadtmacher bringen, die vorhandenen Beratungsnetzwerke- und Strukturen der Immovielien stärken und unterstützen und mit einem Handbuch für Immovielienentwickler Qualitäten für eine gemeinwohlorientierte Immobilienentwicklung formulieren.

Über die Montag Stiftung Urbane Räume

Die Montag Stiftung Urbane Räume ist eine unabhängige gemeinnützige Stiftung und gehört zur Gruppe der Montag Stiftungen in Bonn. Sie setzt sich dafür ein, dass die Räume, in denen wir wohnen, arbeiten, lernen und freie Zeit verbringen, so entwickelt werden, dass sie ein selbstbestimmtes und inklusives Leben ermöglichen. Eine wichtige Voraussetzung dafür sind vielfältige und zupackende Nachbarschaften, die sich für das Gemeinwohl einsetzen und durch ihr Engagement allen Bewohnern einer Stadt gute Chancen zur Teilhabe an der Gestaltung ihres Umfeldes eröffnen. Die Stiftung möchte dazu beitragen, dass solche Nachbarschaften entstehen können oder erhalten bleiben. Zudem will sie die Verfahren und Instrumente der Stadtentwicklung und des Bauens so verbessern helfen, dass das Engagement der Zivilgesellschaft leichter und effektiver wird.

Montag Stiftung Urbane Räume:
www.montag-stiftungen.de/urbane-raeume

Beispielsammlung Immovielien:
http://neue-nachbarschaft.de/immovielien