Bauten und Anlagen der 1960er und 1970er Jahre – ein ungeliebtes Erbe!

Die 1960er und 1970er Jahre können im Rückblick als „große Jahrzehnte“ des öffentlichen wie des privaten Wohnungsbaus, des Sakralbaus und des öffentlichen Verwaltungs- und Kulturbaus in Deutschland bezeichnet werden. Dieser Zeitraum markiert für beide deutsche Staaten eine entscheidende Umbruch- und Neuorientierungsphase, gekennzeichnet durch ein intensives Beziehungsgeflecht von Mensch und Technik, gravierender politischer und gesellschaftlicher Veränderungen, sowie technischer und wissenschaftlicher Neuerungen. Die zeitgenössische Architekturproduktion blieb von diesen Entwicklungen nicht unberührt.

Es entstanden an vielen Orten herausragende bauliche Zeugnisse einer auch international an Bedeutung gewinnenden neuen Architektengeneration. Sie prägen bis heute das jeweilige Stadtbild entscheidend mit und erhielten zum Teil sogar internationale Anerkennung.

Mittlerweile sind die Bauten der zweiten Nachkriegsmoderne in die Jahre gekommen: Mangelnde Baupflege, konstruktive Mängel, veränderte energetische Standards, aber auch demographische und sozioökonomische Entwicklungen setzen dem baukulturellen Erbe erheblich zu. Bei den sogenannten Großstrukturen wie den zahlreichen Siedlungen und Trabantenstädten fehlt heute oft die Akzeptanz in der breiten Öffentlichkeit, die oftmals noch überlagert wird von sozialen Problemstellungen. In Zeiten leerer Kassen besteht die Gefahr der Entstellung durch stark verändernde Sanierungen der Bausubstanz bis hin zu gänzlichem Verlust durch Abbruch und Ersatz.
Gerade auch die demographischen Veränderungen der letzten Jahrzehnte bedeuten für die zahlreichen, oft herausragenden Kultur-, Sakral- und Schul/Hochschulbauten jener Epoche eine existenzielle Gefahr. Aber auch private Bauträger sind beispielsweise durch veränderte energetische Standards mit notwendigen und kostspieligen Sanierungsanforderungen an ihren Immobilien konfrontiert.

Wie stark ist der historische Quellenwert eines Denkmals mit seiner „Orginalsubstanz“ verbunden, und wie „lebendig“, d.h. wie veränderungsfähig darf ein Denkmal letztendlich sein?

Gibt es gar ein „Recht auf Veränderung“ – oder haben für die Zeugnisse der hier interessierenden Epoche die gleichen Regeln denkmalpflegerischen Umgangs mit ihrer Substanz zu gelten wie für die baulichen Zeugnisse aus früheren Epochen?

Welche Auswahl-Kriterien gibt es angesichts der Fülle des seinerzeit „Produzierten“?

Wo sollten die Schwerpunkte der Forschung liegen?

Aus dem Inhalt:

Bauten und Anlagen der 1960er und 1970er Jahre – ein ungeliebtes Erbe? (Michael Hecker / Ulrich Krings)

  1. Einführung in die internationale Leitbildentwicklung der 1960er und 1970er Jahre (Klaus Jan Philipp)
  2. Nicht nur Hochhäuser und Sichtbeton. Leitbilder in der Architektur und im Städtebau der Bundesrepublik Deutschland 1960–1975 (Ralf Lange)
  3. Die verspätete Nachkriegsmoderne in der DDR. Zu ihrer denkmalpflegerischen Aneignung (Mark Escherich)
  4. Programmatische Aspekte in Zeiten hoher Wohnungsproduktion (Michael Hecker)
  5. Das Stadthaus in Bonn: Ein umstrittenes Zeugnis kommunaler Architektur (Kerstin Wittmann-Englert)
  6. Der Mensch braucht eine andere Stadt. Die 1968er Jahre in der Architektur (Wolfgang Pehnt)
  7. Denkmalpflege versus zeitgenössische Stadtplanung und Architektur? Ein Erfahrungsbericht über den Umgang mit dem historischen Erbe in den 1960er und 1970er Jahren (Walter von Lom)
  8. Kulturbauten in Köln – eine Auswahl (Ulrich Krings)
  9. Das jüngste Erbe – immer wieder ein Herausforderung. Zu den Kirchenbauten der 1960er und 1970er Jahre in Köln und im Rheinland (Martin Bredenbeck)

Leider ist das Buch nicht mehr im Buchhandel, sondern nur noch antiquarisch erhältlich. ISBN 978-3-8375-0679-2